- Ordonnanz

Sportschießen mit dem Ordonnanzgewehr

Welche verrückten Leute machen sich eigentlich die Mühe ihre Wettkämpfe mit alten, längst ausgemusterten, Armeewaffen zu schießen? Und was hat das Ganze überhaupt noch mit Sport zu tun?

Solchen oder ähnlichen Fragen begegnet man bei Unbedarften recht oft. Auch manche Sportschützen, Vornehmlich aus  den Bereichen, Druckluft und KK, bringen den Ordonanz- und/oder Vorderladerschützen relativ wenig Toleranz für deren Hobby entgegen. Dabei haben Wettkämpfe mit Ordonanzwaffen, vor allem mit Gewehren, eine wesentlich längere und international breiter gefächerte Tradition als das noch recht junge Sportschießen mit KK oder Luftdruck. Sowohl der amerikanische als auch der britische Schützenverband begannen als „National Rifle Association“ Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Schießen der damals modernsten Armeegewehre und Dienstkaliber. Nicht anders war es in der Schweiz oder in anderen europäischen Ländern. Und auch als sich 1861 in Gotha der Deutsche Schützenbund länderübergreifend formierte, wählte er als erste Standardwaffe den Oberndorfer Feldstutzer. Dieses Schweizer Vorderladergewehr galt als das präziseste Scharfschützengewehr in ganz Europa. Die Förderung des Schießsports als patriotische Wehrertüchtigung oder als Vorbereitung zum Militärdienst hatten sich damals alle großen Schützenorganisationen auf die Fahnen geschrieben.

Die Zeiten ändern sich!

Der Schießsport hat sich heute weitestgehend von seinen ursprünglichen paramilitärischen Wurzeln entfernt. Selbst der Skijägerdisziplin Biathlon, der man lange noch den militärischen Zusammenhang vorwarf, haftet nicht mehr dieser Nimbus an. Und mit der militärischen Herkunft der Schießgeräte bei den Ordonanzwaffenwettkämpfen hat es seine besondere Bewandtnis: Gerade weil sie längst aus dem aktiven Dienst ausgemustert sind, werden sie ja heute für den Schießsport wieder interessant. Da ist zum einen der Kostenfaktor: Auch für einen ausgesuchten Schwedenmauser oder einen Garand-Selbstlader im Topzustand zahlt man heute weit weniger als den ursprünglichen Neupreis. Die Anschaffung beläuft sich auf einen Bruchteil dessen, was etwa für ein modernes SSf-Matchgewehr für die 300-Meterdisziplin anfällt. Auch das Drumherum an Ausrüstung schlägt weniger zu Buche.

Mehr als nur Schießen

Und dann ist da die den „alten Scherben“ innewohnende Herausforderung: jeder der die grundlegenden Fähigkeiten des Schießsports, die Bewegungsabläufe, Atem und Konzentrationstechniken beherrscht kann mit einer der hochmodernen Matchwaffen gute Leistungen erzielen. Der britische Erfolgsautor Gerald Seymour, Verfasser von gut einem Dutzend hervorragend recherchierter Romane, beschrieb in einem seiner Thriller das moderne Wettkampfschießen mit High-tech Waffen,als „so spannend wie wenn man Farbe beim Trocknen zusieht“.

Im Vergleich dazu konfrontieren die militärischen Altertümer, manche über100 Jahre alt, ihre Besitzer mit einer Reihe von Herausforderungen an Kenntnissen und Können, lange bevor sie zum ersten Mal mit der Waffe auf dem Schießstand in Anschlag gehen. Ohne Zweifel können viele der ausrangierten Arsenalstücke, entsprechender Erhaltungszustand vorausgesetzt, auf den 100 und 300 Meter Bahnen Leistungen erbringen  die kaum oder überhaupt nicht hinter denen modernster Matchwaffen zurückfallen.

Es ist aber weitaus schwieriger an dieses Endziel zu gelangen und aus den alterwürdigen Stücken das Höchstmaß an Eigenleistung herauszukitzeln. Ein Vergleich mit dem Motorsport sei erlaubt: Man kann auch mit Oldtimern eine Rallye fahren, man muß nur mehr wissen und können als bei modernen Sport-Tourenwagen.

Denn beim einen Waffentyp hapert es an der Munitionsverträglichkeit, beim anderen spannt es an der Schäftung. Die eine Waffe heizt sich beim schnellen Schießen zu sehr auf, die andere braucht einen bestimmten Rhythmus. Gerade in dieser Tüftelei findet sich der Spaß beim Ordonanzwaffenschießen, was auch sehr viel mit dem Wiederladen  der Munition und dem Aufspüren alter Tricks zu tun hat.

Der Austausch von Informationen unter Kennern und Schützen stellt eine erste Etappe auf dem langen Weg zum Erfolg dar. Nicht jedes Gewehr einer Modell- oder Bauserie ist gleich. Da die meisten Militärwaffen in mehr als einer Fabrik und außerdem über einen längeren Zeitraum, in Friedens- und in Kriegszeiten, hergestellt wurden, stellen sich ganz zwangsläufig Unterschiede in der Fertigungsqualität: ein 98k ist nicht unbedingt gleich 98k, auch wenn beide aus Oberndorf kommen. Das Wissen um solche Unterschiede aber kann Fehlkäufe vermeiden. So bietet sich auch jeder Wettkampf als Gelegenheit zum Fachsimpeln an, was wirklich eifrig genutzt wird. Leistungsschützen aus den modernen Disziplinen zeigen sich oft erstaunt, wie bereitwillig erfahrene Ordonanzgewehrschützen ihre Erfahrungen weitergeben, so als gäbe es kein Konkurrenzdenken. Auch das ist etwas was diese Sportart so liebenswert macht. Dies ist auch beim Vorderlader und Westernwaffenschießen zu beobachten.

Wer in den Liebhabern alter Arsenalgewehre eine verknöcherte und introvertierte Riege ewig Gestriger vermutet, erlebt spätestens hier viele Überraschungen. Auch begrenzt sich das Vergnügen mit den alten Waffen längst nicht auf die heimischen Produkte oder auf nationale Vorlieben: Zwar stellte lange Zeit der 98k in Deutschland das Rückgrat vieler Wettkämpfe dar, aber als Ende der 80er Jahre die damals preiswerten, doch hochpräzisen Schwedenmauser auf den Markt kamen, schwenkten viele Schützen um. Fertigungsqualität und Präzision waren es auch die viele Teutonen für die Schweizer Geradezuglader begeisterten. Und niemand schien sich daran zu stören, daß weder die Schweden noch die Schweizer Gewehre   irgendeine kriegerische Vergangenheit haben.

Verfügbarkeit und Preis

Diese beiden Faktoren bestimmten wesentlich, welche Ordonanzgewehre im Markt „in“ waren. Ende der 80er Jahre gaben die Schwedenmauser diesem Schießsport einen entscheidenden Schub. Dem folgte die Welle der britischen und kanadischen .303 Enfield-Repetierer. Als auch hier die Quellen für preiswerte Waffen langsam versiegten, waren es die Unmengen  russischer Mosin-Nagants und ihrer 7,62er Randpatronen. Die nach dem Zerfall des Ostblocks für kleines Geld zu haben waren.

Solche Zeiten sind leider vorbei. Gute, originale 98k bewegen sich mittlerweile um die 500 Euro. Schwedenmauser kosten(noch) zwischen 300 bis 500 Euro. Beim Mosin-Nagant sind jedoch gute nummerngleiche Gewehre noch für etwa 150€ zu haben, da der „klapprige Russenprügel“ sich im Westen nie richtig etablieren konnte, obwohl seine Präzision bekanntermaßen gut ist.

Und die Enfields gibt es längst nicht mehr für 150 Mark.

Ein Streit unter Veteranen

Wie so oft kam der Anstoß zum Boom des Ordonanzwaffenschießens  aus dem Ausland. Den Anfang machte ein Streit in einem der vielen britischen Veteranenvereine, wo man in den 60er Jahren Gefahr lief hochkantig aus dem Club geworfen zu werden, wenn man an den schießtechnischen Verdiensten der „Lee Enfield No.1 Mark 3 (oder liebevoll Smelly)“ Zweifel anmeldete. Aus einer solchen Diskussion, ob nun der deutsche 98k oder die gleichermaßen in Commonwealth und UK beliebte „Smelly“ besser schoß,( sowohl Deutsche als auch Briten werden darauf sofort und ohne nachzudenken Antworten) entstanden in den frühen 1960er Jahren in Großbritannien die ersten Ordonnanzgewehr-Vergleichswettkämpfe.

Dies kam gerade zu der Zeit, als die britische NRA die Weltkriegs-Eins Generation der No.1 Mk 3 zugunsten der No.4 aus dem 2. Weltkrieg aus dem offiziellen Wettkampf-Programm nehmen wollte. Und so erhielt ein neuer Verein seine Daseinsberechtigung, der sich der Förderung des Schießsports mit alten Militärwaffen verschrieb. Die „Historical Breechloading Small Arms Association“,1973 gegründet, förderte den Wettkampf mit alten Waffen unter gewissen historisch abgesteckten Rahmenbedingungen. Die Idee zündete und inspirierte auch so manchen Sammler, einmal das eine oder andere alte Schätzchen auszuprobieren. Die Idee sprang bald aufs Festland über. In Deutschland folgte dem Siegeszug des Vorderladerschießens in den frühen 1970er Jahren das Ordonanzwaffenschießen. Wieder einmal waren es die ländlicheren Regionen, allen voran Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, wo die neue Bewegung schnell Anhänger fand. 1979 entstand der BDMP in Paderborn, zuerst nur im Zusammenschluß von Militärs und Polizisten, die als Dienstwaffenträger mehr mit Großkalieber trainieren wollten. Der BDMP war von Anfang an durch seine Kontakte mit britischen Militärs in Norddeutschland inspiriert. Durch Pilgerfahrten nach Bisley, dem Mekka der britischen NRA, angeregt, gab es bald auch im BDMP eine starke Liga für das Schießen mit alten Dienstgewehren, dem bald das Schießen mit Ordonnanz-Kurzwaffen folgen sollte.

Heute ist das Ordonnanzgewehrschießen ein auch in DSB-Vereinen verankertes Vergnügen, das viel zur Entwicklung des Schießsports und zu grenzüberschreitenden Kontakten beigetragen hat. Aus den ersten „Mauser-Preisschießen“ Bayrischer oder schwäbischer Vereine hat sich eine vielschichtige Szene entwickelt.

Harald Maier

Quellenhinweis:  Wikipedia, Visier Spezial Nr.28